Klimakrise oder „Klimademenz“?

Klima­­krise: Aus­wir­kun­gen auf die Was­ser­wirt­schaft
Klima­­krise: Aus­wir­kun­gen auf die Was­ser­wirt­schaft

Trotz eines feuchten Frühjahrs sinkt der Grundwasserspiegel

Am Montag, dem 15. Mai begrüßten Johannes Beck und Wilhelm Hügging vom Ortsverband der Grünen viele Interessierte im Hotel Zur Mühle zur zweiten Grünen-Veranstaltung zum Thema „Wasser“. Nachdem es im vergangenen Herbst um eine Problemanalyse ging, sollten diesmal Lösungsansätze erörtert werden. Dazu waren Rainer Seidl von der Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land (ANTL) und Werner Wenker, Diplom-Ingenieur bei der Unteren Wasserbehörde des Kreises Steinfurt, als Referenten geladen.

Wenker stellte die Ausgangssituation im Kreis dar. Während im Jahresmittel zwischen 1965 und 2021 768 mm Niederschlag fielen, waren es 2022 nur noch 542 mm. Daraus resultiere eine deutlich zu geringe Grundwasserneubildung. Das feuchte Frühjahr 2023 habe viele Menschen die Problematik vergessen lassen. Der Fachmann sprach provokativ von einer „Klimademenz“. Weitere Faktoren der Klimakrise seien eine verlängerte Vegetationsperiode und hohe Verdunstung aufgrund langanhaltender Trockenperioden in den Sommermonaten. In der Folge fielen zuletzt 37% der berichtspflichtigen Gewässer im Kreis Steinfurt trocken! Auch Rainer Seidl verwies auf die Gefahren der Austrocknung der Moore (Recker Moor, Emsdettener Venn): Anstatt CO² zu speichern, würden sie bei Trockenheit CO² und Lachgas in erheblichen Mengen freisetzen.

Beide Referenten hoben hervor, dass ein deutlich zu schneller Wasserabfluss durch Entwässerungsgräben mit bis zu 2,5 Metern Tiefe wesentlich zu Trockenschäden an landwirtschaftlichen Kulturen beitrage. Anträge auf die Erlaubnis zur Grundwasserentnahme werden vom Kreis im Einzelfall entschieden. Dabei spiele die Tendenz der Grundwasserstände eine entscheidende Rolle. Die trotz des diesjährigen regenreichen Frühjahrs weiter sinkende Tendenz führt dazu, dass inzwischen 4 von 5 Anträgen vom Kreis abgelehnt werden. Werner Wenker wies darauf hin, dass sich die überwiegende Zahl der Landwirte an die Vorgaben des Kreises halte. Die Wasseruhren der gewerblichen Wasserentnehmer würden vom Kreis kontrolliert. Verstöße würden vom Kreis in ihrer Funktion als Ordnungsbehörde geahndet und unmittelbar mit hohen Bußgeldern belegt.

Tendenz des Grundwasserstands Quelle: Kreis Steinfurt
Tendenz des Grundwasserstands, Grundwassermessstelle TE 22 Hopsten-Halverde, Quelle: Kreis Steinfurt

Es wurde deutlich, dass beim Thema „Wasserhaushalt“ die Landwirte mit der Unteren Wasserbehörde und auch den Umweltschutzverbänden an einem Strang ziehen. Wenker erläuterte Lösungsansätze am Beispiel des Hopstener Pilotprojekts „Wasser in der Fläche halten“. Galt es in den 50er bis 70er Jahren, das Niederschlagswasser möglichst schnell abzuführen, um eine Bewirtschaftung der Flächen überhaupt erst zu ermöglichen, ist man sich nun einig, dass das Wasser durch Staustufen in den Seitengräben – also in der Fläche – zu halten ist. Hierbei sei der Kreis, so Wenker, auf die freiwillige Mitwirkung der Unterhaltungsverbände angewiesen. Auch die Einwilligung der betroffenen Anlieger sei erforderlich. Dazu brauche es viel Überzeugungsarbeit, so Wenker.

Die Freiwilligkeit der Maßnahmen hob auch Referent Rainer Seidl (ANTL) hervor. Dabei zeigte er in seinem Vortrag insbesondere die Möglichkeiten privater Grundbesitzer auf: Regentonnen und Gartenteiche, tieferliegende Versickerungsflächen, Rigolen, Gittersteine als befestigte Flächen und Dachbegrünungen leisten einen Beitrag, den Wasserabfluss zu verringern. „Schwammstadt“ sei dafür der Fachbegriff.

Die Kommunen selber seien auf massive Starkregenereignisse, wie sie zuletzt auftraten, nicht vorbereitet. Deswegen sei es für alle Kommunen wichtig, ein verpflichtendes Niederschlagsmanagement in ihrer Bauleitplanung zu verankern. Den von Meteorologen prognostizierten häufiger auftretenden Schäden durch Starkregen könne so begegnet werden. Es bedürfe der Entsiegelung von Flächen und der Freilegung von verrohrten Bächen. Wasser brauche Fläche – möglichst naturnah. Rainer Seidl zeigte gelungene Beispiele aus verschiedenen Städten, in denen sich ganz nebenbei auch die Aufenthaltsqualität erhöht hatte.

Im Anschluss an die Vorträge ergab sich unter den Anwesenden eine angeregte Diskussion, in der die Ansätze der Referenten noch einmal vertieft wurden. Auch der Konflikt zwischen dem Einsatz von umweltbelastenden Pestiziden einerseits und der austrocknenden, mechanischen Bodenbearbeitung andererseits kam zur Sprache. Einig waren sich hingegen alle, dass eine systematische Erhöhung der Grundwasserstände gemeinsam angegangen werden muss. Anne Engelhardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Lengerich, versprach, die Anregungen des Abends aufzunehmen und in die Kommunalpolitik in Lengerich einzubringen.